Steigende Energiekosten und Katastrophenschutz
Schnelle Lösungen für steigende Energiekosten gefordert und absurde Notfallregelungsforderungen in der Eingliederungshilfe müssen zurückgenommen werden.
Hürth. Die Lebenshilfe Nordrhein-Westfalen stellt fest, dass soziale Einrichtungen aktuell in einer Krisensituation mit maßgeblichen Folgen im Stich gelassen werden. „Nicht nur, dass die Menschen mit Behinderung und die Einrichtungen, in denen sie leben, seit Monaten im Unklaren darüber gelassen werden, wer die steigenden und teilweise bereits aktuell erhöhten Strom- und Gaspreise bezahlt, wird nun noch staatliche Verantwortung des Katastrophenschutzes an die Träger der Einrichtungen abgewälzt“, klagt Landesgeschäftsführerin Bärbel Brüning.
So berichtet der Kölner Stadtanzeiger am 7. Oktober 2022, dass im Gezänke von Bund und Ländern die Sozialen Träger zum „Streichobjekt“ des Beschlusspapiers des Gaspreisdeckels werden könnten. Der aktuell gefasste Beschluss zur Senkung der Mehrwertsteuer wird die erhöhten Kosten – wenn überhaupt – nur geringfügig abmildern. Erste Träger haben bereits die Schließung von Einrichtungen zum Ende des Jahres angekündigt. Die Leistungserbringer geraten in existenziell bedrohliche finanzielle Lagen, was die Versorgung der Menschen gefährdet.
Darüber hinaus gehen bei den nordrhein-westfälischen Lebenshilfen inzwischen Schreiben kommunaler Behörden ein, die auf eine E-Mail des Landkreistages Nordrhein-Westfalen zurückgehen. Darin werden die Träger von Besonderen Wohnformen der Eingliederungshilfe[1] aufgefordert, „bei einem flächendeckenden Stromausfall“ Notstromaggregate vorzuhalten. Argumentiert wird mit einem Passus der Durchführungsverordnung des Wohn- und Teilhabegesetzes, der sich aber ausschließlich an die Träger von Intensiv-Wohngemeinschaften richtet, nicht aber an Träger besonderer Wohnformen[2].
„Dieses Rechtsverständnis des Landkreistages NRW ist befremdlich. Hier werden Forderungen an Einrichtungen formuliert, die der Gesetzgeber gar nicht vorsieht. Darüber hinaus stelle ich in Frage, ob die Finanzierung der Notstromaggregate durch die zuständigen Kostenträger vor dem 24. Februar 2022 überhaupt genehmigt worden wären und auch aktuell ist dies nicht geklärt. Die Versorgung von teilweise mehrstöckigen Gebäuden mit Notstromaggregaten ist unrealistisch; nebenbei müssten Unmengen von Diesel vorgehalten und gelagert werden, um diese überhaupt zu betreiben. Ob die notwendigen Mengen überhaupt auf dem Markt zu kaufen sind, ist zudem fragwürdig und Lagerungs- und Brandschutzthemen kommen noch obendrauf. Völlig absurd und nicht umsetzbar sind solche Forderungen“, sagt Brüning.
„Notwendig ist vielmehr eine umgehende Finanzierungszusage für die hohen Strom- und Gaspreise sowie die selbstverständliche Berücksichtigung der Einrichtungen und Angebote der Eingliederungshilfe bei der Versorgung insgesamt. Die Versorgung „kritischer Infrastruktur“ wurde bereits mehrfach mündlich durch die Bundesregierung zugesichert. Dieses Mal darf nicht passieren, was bereits unter der Corona-Pandemie passierte: Krankenhäuser und Pflege werden gesehen, doch die Menschen mit Behinderung geraten aus dem Blick. Bund und Länder müssen Vorsorge für eventuelle Notfallsituationen schaffen, um die Versorgung der Menschen in jedem Falle aufrecht zu halten. Schnelle und pragmatische Lösungen sind gefragt. Wir machen uns ernsthafte Sorgen um die Versorgung. Ganz grundsätzlich und erst recht in Krisenzeiten müssen Menschen mit Behinderung und ihre Lebenssituationen immer mitgedacht werden“, sagt Brüning.
[1] ehemals stationäre Wohneinrichtung